Seltsame Artikel
Aus dem Leben eines Tontechnikers

Dieser Artikel beschreibt den typischen Arbeitstag eines Tontechnikers. Als Beispiel dient hier die Beschallung eines Kölner Messestandes. Der Ablauf gestaltete sich wie folgt:

Nachts um 2.00 auf die Autobahn, damit man um 5.00 da, weil um 6.00 der Aufbau beginnt, da um 8.00 die Messe anfängt und um schon um 10.00 Künstler am Messestand erwartet werden
ankommen, umher irren, Parkplatz suchen, Ärger mit dem grobschlächtigen Messeparkplatzanweiser, der die Messeintrittskarte sehen will, die man dabei haben sollte aber nach Aussage der Veranstalter erst am Eingang bekommen wird
weit außerhalb parken, 500m Fußmarsch zur Akkreditierung, wo Dich kein Schwein kennt und niemand etwas von der Liveübertragung weis
10min erfolglose Diskussion mit einer etwa 25jährigen, geschniegelten und gebügelten, männlichen Messehostess, der mit schwuler Stimme seinen Standpunkt vertritt und nach jedem zweiten Satz potentielle Fussel von den Designerklamotten wischt
durch geschickte Täuschung des geschniegelten Messeeinweisers und Augenzwinkern hin zu einer weiblichen Hostess, sich letztlich doch am Eingang vorbeimogeln, um die Akkreditierung zu bekommen
zurückrennen, Auto holen und im Eingangsbereich der Messe parken, wo man einen scheinbar freien Parkplatz findet
suchen der auftraggebenden Messestandsleiterin, die nach der Umschulung durch das Arbeitsamt inzwischen eine selbständige ICH-AG für Messekoordination betreibt, sich daher für sehr wichtig hält
Anweisungen und Kommandos der Messestandsorganisatorin entgegennehmen, artig zuhören und dabei mutmaßen, dass diese offenbar schon monatelang keinen Typen mehr hatte und ihren sexuellen Frust gerne an Tontechnikern auslässt
Multicorekabel verlegen und sich mit Brumm rumärgern, weil irgendwo eine Abschirmung kaputt ist
durch Befragung einer Hostess rauskriegen, dass männlicher Messezuschauereinweiser vom Eingang aus benachbartem Düsseldorf kommt, dort Kunstgeschichte studiert und nebenher als Modell arbeitet
Rauchen und einer etwa 20-jährigen Hostess schöne Augen machen
vom Mischpultmann der P.A.-Firma durch die Gegend hetzen lassen, weil Kanalfader kaputt und Lötkolben daheim vergessen, bzw. Kabel am Stecker zu kurz und dringend Ersatz benötigt
Kabel holen und installieren, feststellen dass es anfängt zu regnen
Boxenständer holen und dabei pinkelnden Hund vom Auto wegjagen
herumliegendes Holz klein hauen und unter PA-Boxenständer legen, weil sonst Ständer mit einem Fuß im Schlamm versackt und alles umkippt
Holzsplitter aus dem Finger ziehen
Zuschauer, die zu früh kommen und alles besser wissen bzw. dumm rumstehen, wegscheuchen, weil sie einen beim weiteren Aufbau der Außenbeschallung behindern
wieder eine Rauchen und dabei feststellen, dass es noch stärker regnet
Plane über das Pult ziehen, weil die vereinbarte Überdachung durch die faulen Messebauarbeiter noch nicht aufgebaut ist
Auto umparken, weil im doch Halteverbot abgestellt
DI-Box austauschen, weil kaputt und gleich zurück zum Pult rennen, um zu testen
ein von Zuschauern umgeworfene PA-Box aufrichten, feststellen, dass sie beschädigt ist und dem Mischpultmann melden
das bereits reparierte und neuverlegte Multicore noch mal neu verlegen, weil Messetante das so will, da die Zuschauer drüberstolpern und auf die Schnauze fliegen könnten
einer 23jährigen, vorbei eilenden Messehostess schöne Augen machen über den geschniegelten männlichen Messeeinweiser lästern, dabei erfahren, dass der  bei den anderen Modellen im Hotel auf derselben Etage pennt
Messeorganisatorin beschließt, dass es für den Außenaufbau nun doch zu nass ist und die empfindlichen Künstler frieren könnten
wieder raus in den Regen rennen, um nun eine halbe Stunden lang die Boxen in den entfernten Saal schleppen
am Nachbarstand fragen, ob für den nächsten Tag noch Hilfe gebraucht wird, weil man knapp bei Kasse ist und noch kurzfristig einen Job gebrauchen könnte
neue DI-Box holen, weil von Zuschauern geklaut worden
Inmitten des Aufbaus den umstehenden Möchtegernmusikern und Messbesuchern dumme Fragen zum Inhalt des Tontechnikberufes beantworten, obwohl man längst genervt ist und keine Zeit dafür hat
3min Frühstückspause mit einem alten Brötchen und einer 32jährigen Messehostess, die erzählt, dass sie auf der letzen Industriemesse einen Manager kennen gelernt hat, in seinem Sportwagen mitfahren durfte und nun entschieden hat, in jedem Fall einen Typen mit Kohle zu nehmen und in keinem Fall einen schlechtverdienenden Tontechniker
sich durch Zuschauer hindurchdrängeln, zurück zum Stand
sich von der Messetante ausschimpfen lassen, dass man den Zuschauern gegenüber freundlicher sein müsse, weil man ja wieder einen neuen Job haben will im nächsten Jahr, oder ?
der Messtante scheinbar in den Hintern kriechen und sich entschuldigen
eine Flasche Cola auf Ex austrinken und sich zu der Erkenntnis durchringen, dass Tontechniker insgesamt doch ein ziemlicher Scheißjob ist
einer vorbeieilenden 28jährigen Messehostess schöne Augen machen
mit anderen Tochtechnikern über die schlechten Zeiten für Tontechniker diskutieren
Visitenkarte beim anderen Stand abgeben und auf Angebot zur Beschäftigung bei nächster Messe hoffen
neue Kippen holen
PA-Boxen lauter drehen, weil alles Drumherum so laut ist und der Soundcheck nicht klappt
Zuschauer daran hindern, am Mischpult herumzuspielen
mehrfach auf die Bühne krabbeln und sich dabei nun noch einen Holzsplitter in die Hand rammen
fluchen und sich die missbilligenden Blicke der im Anzug und Krawatte herumstehenden Geschäftsmänner zuziehen, die aufgeregt mit ihrem Handy wichtige Gespräche führen
sich durch immer dichter werdende Zuschauermassen quetschen
von einem Messebesucher Cola über die coole neue Jeans kippen lassen
am Eingang die Wunde notdürftig verpflastern- und sich dabei vom geschniegelten Messeeinweiser auf den Hintern gucken lassen
Kippen ziehen und Rauchen
Akkreditierung, die beim Rumhantieren mit dem Pflaster runtergefallen war aus einer Pfütze ziehen, säubern und wieder einstecken dabei Getränkegutschein entdecken und einlösen
feststellen, dass 28jährige Dame von vorher gar keine Hostess war, sondern Mitarbeiterin des Auftraggebers des Messestandes, der nun interessiert fragt, wieso man soviel Zeit hat zum Weiberanbaggern, Rauchen und Pausemachen, wo doch der Stand noch immer nicht fertig ist und die Künstler doch gleich kommen
sich beim ärgerlichen Zurücklaufen von einem Zuschauer auf den Fuß treten lassen
modernes wireless Mikrofonsystem mitbringen, installieren
PA-Boxen wieder leiser einstellen, weil sich Nachbarstände über die hohe Lautstärke beklagt haben
Multicore erneut umlegen und neu einstecken, weil Zuschauer durch ihr Getrampel oder Rumgefummel ein Kabel rausgezogen haben
klebrige Cola-Jeans hinter der Bühne wechseln, dabei Aufpassen, dass der Hinterngucker nicht in der Nähe ist
mit eintreffendem Künstler sprechen, der Tipps zum Soundcheck gibt und komplett andere Wünsche hat
trotz der Zunahme der Handygespräche den Soundcheck wiederholen, dabei Künstler bitten, nicht ins Mikro zu blasen
PA-Boxen doch wieder lauter drehen, weil der Künstler sich nicht hört und dabei wireless System vom Künstler ramponieren lassen
Vorwurf hinnehmen, dass bei diesen Tontechnikern typischerweise nichts klappt, weil Wackelkontakt vorhanden und insgesamt eh' alles viel zu teuer und "das nächste mal buche ich einen anderen"
dem Künstler in den Hintern kriechen und eine Rauchen
sich vom Manager eines Standes anbrüllen lassen, dass er bei dem Lärm nicht telefonieren kann
dem Manager mit Handy in den Hintern kriechen
eklige und dummdämliche Schlagermusik des Künstlers mitanhören, beklatschen und insgeheim verfluchen, weil er dauernd ins Mikro bläst
Rumlaufen, dabei der 28jährigen Scheinhostess aus dem Weg gehen
Tipps von Möchtegerntontechnikern entgegennehmen, welche daheim auch Homerecording machen und die Soundeinstellungen kritisieren
Zuschauer daran hindern, Kabel zu klauen
Bei der 23jährige Hostess von heute morgen nachfragen, was sie am Abend so macht und gesagt bekommen, dass sie bei ihrer Kollegin pennt und das nicht nur zu Messzeiten
wieder eine Rauchen und vom Nachbarstand erfahren, dass man dort keine Tontechniker braucht und zwar jetzt nicht und auch nicht Zukunft nicht und wahrscheinlich nie mehr in diesem Leben und es garantiert nix zu verdienen geben gibt und man erst gar nicht mehr zu fragen braucht
Entmutigt über sein Dasein nachdenken
Eine 24-jährige, gutaussehende und alleinstehende Hostess vorüber ziehen lassen, ohne sie bemerkt oder ihr schöne Augen gemacht zu haben
Nach dem Ende des Konzerts, Denken beenden, PA und Pult abbauen, Kabel einsammeln und Künstlerspucke aus dem Mikrokorb entfernen, hinterher Rauchen
alles Zeugs rausschleppen ans Auto und dabei der ICH-AG-Messetante geschickt aus dem Weg gehen
feststellen, dass der Hund doch an die Reifen dran gepinkelt hat
Strafzettel wegen falschen Parkens wegwerfen
3h über die Autobahn heimfahren + 2h zusätzlich im Stau stehen
nachts um 2.00 heimkommen und feststellen, dass man die colagetränkte Jeans hinter der Bühne liegengelassen hat
einschlafen und dabei Messetanten die Pest an den Hals wünschen


Und wenn er nicht gestorben ist ...

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J.S. Stand April 2003
überarbeitet Juli 2004

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